Im Portrait

Kirchvorsteherin Laura Jursch aus Wantewitz

Laura Jursch ist 22 Jahre alt und lebt in Wantewitz. Das ist ein Dorf in der Nähe von Großenhain und gehört zur Kirchgemeinde Großenhainer Land, die wiederum Teil eines Schwesterkirchverhältnisses ist. Laura Jursch ist letztes Jahr als Jungdelegierte in den Kirchenvorstand ihrer Kirchgemeinde berufen worden und gehört zum Ortsausschuss von Wantewitz.

Mit Laura Jursch sprach Kathrin Mette von der Ehrenamtsakademie über ihre ersten Monate im Kirchenvorstand und Ortsausschuss, über ihr Selbstverständnis und ihre Visionen für die Zukunft


Über Ihren Weg in den Kirchenvorstand
„Ich hab den klassischen Weg genommen: Christenlehre, Konfirmandenzeit. Und bei uns in der Konfirmandenarbeit war es so, dass man gemeinnützigen Dienst leisten musste. Da hab ich mich in der Jugendarbeit engagiert und dann hab ich bei uns auch Freizeiten geleitet. Das waren ´Ritterlager´ –  Freizeiten für Kinder, von 7-14 auf Ritterbasis, so richtig mit Zelten. Und dann hat mir das aber irgendwann nicht mehr gereicht. Und da hab ich gesagt: Ich will mal über den Tellerrand hinausgucken. Da bin ich dann nach Dresden gegangen zur evangelischen Jugend und dort hab ich auch Kinderrüstzeiten geleitet. Und dann bin ich zum Studieren nach Köln gegangen und hab mich dort ehrenamtlich engagiert, auch in der Jungen Gemeinde. Und dann bin ich wieder zurückgekommen und hab gesagt: O.K. Die Jugendarbeit hat sich natürlich auch verändert in der Zeit als ich nicht da war und die, die damals mit mir aktiv waren, sind alle nicht mehr da. Und dann dachte ich: O.K. Jetzt muss irgendwie mehr kommen als ´Du bist nur Gemeindemitglied´ und dann hab ich angefangen Jugendrüstzeiten zu betreuen als Mitarbeiterin. Und dann kam Sarah Zehme, unsere Pfarramtsleiterin auf mich zu und hat gesagt: Ja Laura, wie wär es denn mit Kirchenvorstand? Da wärst Du doch geeignet. Und ich dachte so: Hm. Vorstandsarbeit? Klingt erstmal etwas trocken. Aber weil ich im Studium schon im Fachschaftsrat gewesen war und schon ein bisschen wusste, wie das funktioniert, hab ich gedacht: Naja. Warum denn nicht? Ich bin jetzt zuhause und jetzt hab ich noch die Zeit dafür. Und das ist – glaub ich – eine gute Sache, um da auch mal was zu verändern. Bei uns im Kirchenvorstand ist so eher die ältere Riege vertreten, männlich vor allem. Und dann ist es halt mal etwas anderes, wenn so eine junge Frau kommt. Und da dacht ich: O.K. Warum nicht? Unser Jugendangebot ist aktuell sowieso nicht so gut. Vielleicht kann man da ja was verbessern oder einmal den Blickwinkel ändern. Aber was damit eigentlich zusammenhängt, war mir da noch nicht wirklich bewusst. Außer, dass ich mich einmal im Monat mit dem Vorstand treffen muss.“

Über ihre Erfahrungen in den ersten Monaten
„Wegen Corona haben wir viele Onlinesitzungen. Im Moment jede Woche mindestens eine: Also Notsitzungen, Sondersitzungen, Ortsausschuss, regulär. Dann haben wir Treffen mit unseren Schwesterngemeinden. Und die Ausschüsse haben wir noch nicht mal gegründet. Also die kommen ja noch dazu.“

Eindrücke zur Kirchenvorstandsarbeit
„Mein Eindruck ist, dass Kirchenvorstandsarbeit sehr langwierig ist. Mit ´langwierig´ meine ich, dass unsere Sitzungen sehr lange dauern. Sie fangen 19.30 Uhr an und gehen bis 22 Uhr. Und dann wird noch zu umständlich gearbeitet. Wir diskutieren zu viel über Vor-Ort-Themen wie Pacht oder Miete.

Ich würde mir wünschen, dass wir mehr übergreifende Themen besprechen. Neulich war zum Beispiel Thema, was wir mit den Friedhöfen anstellen. Brauchen wir mehr Personal? Wer pflegt die Friedhöfe? Das war so ein Punkt, wo ich sage: O.K. das ist jetzt wirklich ein klassisches Kirchenvorstandsthema. Friedhof oder Personal oder auch Aktionen und Gottesdienstplanung sollten im Kirchenvorstand besprochen werden und nicht so sehr die Vor-Ort-Themen.

Aber ich muss sagen: Unsere Pfarramtsleiterin, die auch die Vorsitzende des Kirchenvorstandes ist, macht das schon sehr strikt. Sie hat auch Zeiterfassung. Und dann sagt sie: Stopp. Wir haben genug geredet. Jetzt geht’s weiter. Trotzdem sind zweieinhalb Stunden, Donnerstagabend viel zu lange. Aber im Großen und Ganzen gefällt es mir eigentlich schon ganz gut.“

Über die Arbeit im Ortsausschuss
„Das hat mir bisher eigentlich ganz gut gefallen. Wir haben Gottesdienste vor Ort geplant. Wieviel wollen wir? Was brauchen wir? Welchen Pfarrer? Was geht so drumherum? Also wir haben den Vorteil – in Wantewitz lebt ein Künstler im Gemeindehaus, und er macht immer Tage des offenen Ateliers oder Ausstellungen und Veröffentlichungen und das ist schon wirklich cool, weil er das halt so ein bisschen aufpeppt.

Oder wir überlegen uns jetzt, eine Solaranlage auf dem Dach zu installieren, um nachhaltiger zu werden. Und das ist zum Beispiel was, wo ich denke: Das ist wirklich cool und interessiert mich auch. Weil man da das Gefühl hat, das betrifft einen aktiv. Da ist man ja jeden Sonntag. Und da ist auch das Gemeindeleben viel aktiver. Ich glaube, das mit dem Kirchenvorstand muss sich noch so ein bisschen einfahren und dann macht mir das auch genauso viel Spaß.“

Über ihre Rolle im Kirchenvorstand
„Ich sehe mich im Kirchenvorstand vor allem als Jugendvertreterin. Um zu schauen: Sprechen die Angebote, die gemacht werden, Jugendliche an? Was ich im Blick habe, ist aber auch: Was ist für den Gemeindeaufbau in der Gemeinde nützlich? Wie kann man in Zeiten von Corona Gemeinschaft fördern? Nicht bloß in Wantewitz. Ich bin für das Große und Ganze da. Und ich schaue auch, ob in den Beschlüssen das Generationeninteresse vertreten wird.“

Über ihre Ideen, was im großen Schwesterkirchverbund gestemmt werden könnte
„Ich glaube, gerade was Kirchenmusik angeht ist es in der großen Region besser, Leute zu akquirieren, also einfach zu sagen: Wir machen ein großes Orchester. Also wir haben da und dort einen Posaunenchor. Aber wir können ja einfach mal zusammen musizieren. Oder auch Konzerte. Eine Konzertreihe und auch mal die Kapazitäten oder die Technik von den anderen nutzen. Zu sagen: Ja, die haben eine gute Orgel. Im Musikalischen kann man da sehr viel machen oder gerade auch wenn es dann wieder möglich ist. Vielleicht auch Gemeindefeste. Und wir können schauen. O.K. Wie machen es die andern und uns Impulse holen.“

Über Ideen, wie es in 12 Jahren im Schwesternkirchverhältnis aussehen könnte
„Am liebsten wäre mir, wir würden gegen diesen Trend laufen, dass es immer weniger Kirchenmitglieder gibt. Und ich glaube, am schönsten wäre es, wenn wir große Gottesdienste feiern würden. Ich würde mir wünschen, dass mehr Verständnis kommen würde von den Älteren und dass es besser organisiert wird, mit Fahrgemeinschaften, mit Kleinbussen, die wir organisieren könnten. Ja, das mehr auf den neben mir geachtet wird und man sagt: O.K.  wir sind jetzt zwar so ein riesiger Bezirk, aber wir organisieren uns. Und ich würde mir wünschen, dass wir wieder einen Pfarrer kriegen oder eine Pfarrfamilie, das fänd ich ganz schön. Also wirklich auch einen in Wantewitz. Und dass wir die Ressourcen, die da sind, viel besser nutzen, mehr allgemeingültige Angebote machen, mehr Jugendgottesdienste, mehr Familiengottesdienste. Das ist so eine Sache, die es aktuell noch gar nicht so richtig bei uns in der Region gibt.

Auch Gebäude könnten wir mehr aktivieren. Wir haben viele alte Pfarrhöfe, die müssten wieder renoviert werden. Ich würde mir auch wünschen, dass wir wieder Kirchgärten reaktivieren, also eine Oase schaffen, um zusammen zu kommen.  Auch ein offenes Angebot und nicht immer so starre Zeiten. Dass man einen großen Platz hat, wo man sagt: Man ist eingeladen. Das wäre so eine Vision von mir.“


Kirchvorsteher Michael Lüke aus Wittgensdorf

Wie Michael Lüke in den Kirchenvorstand gekommen ist
Ich bin 1988 in den Kirchenvorstand von Ebersdorf gekommen. Ich fand es damals sehr schön, wie herzlich ich aufgenommen wurde mit 23 Jahren. Mir haben alle das „Du“ angeboten. Da waren Doktoren dabei. Es waren gestandene Leute. Und dort hab ich das erste Mal eine ganz herzliche Gemeinschaft – auch eine geistliche – verschiedenster Menschen vorgefunden. Diese wirklich beeindruckend schöne Erfahrung habe ich dann zehn Jahre später auch ganz ähnlich in Wittgensdorf gemacht, als ich dort kurz nach unserem Umzug in den Kirchenvorstand berufen wurde.  Das heißt: Die Kirchenvorstandsarbeit hat mein Leben als junger Mann geprägt und prägt es bis heute.


Über die Zusammensetzung des neu gewählten Kirchenvorstands in Wittgensdorf
„Im neuen Kirchenvorstand sind wir neun, vier Frauen und fünf Männer. Aufgrund der neuen Bestimmungen ist sogar ein Mitarbeiter aus der Jungen Gemeinde hineingewählt worden. Der ist 19 Jahre alt und hat gerade sein Abitur fertig. Fängt in Chemnitz an zu studieren.

Den Vorsitz hat unsere Prädikantin Susan U. Ich finde es gut, dass die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen als Team die Gemeinde leiten und der Pfarrer keine exponierte Stellung hat. Ich bin dankbar für das, was unser Pfarrer hier auch tut, ich freue mich aber, dass jetzt nach sechs Jahren das erste Mal wieder eine ehrenamtliche Mitarbeiterin Vorsitzende ist.“

Über die konzeptionelle Arbeit des Kirchenvorstands seit dem Jahr 2000
„2000 hatten wir einen ersten großen Konzeptionstag. Wir wollten uns als Kirchenvorstand nicht mehr so auf die Tagesaufgaben, die aktuell anliegen, konzentrieren und ihnen hinterherhecheln, sondern eine Vision oder ein Gemeindeleitbild entwerfen auf biblischer Grundlage.

Und es ging auch darum, unsere Gemeindearbeit neu zu strukturieren: Aufgaben verteilen, Schwerpunkte setzen und eigene Teams bilden, auch um den Kirchenvorstand in der konkreten Sacharbeit vom Tagesgeschäft zu entlasten. Ein wesentlicher Grund für diese Neustrukturierung lag darin, dass wir uns als Gemeindeleitung, als „Älteste“ dieser Gemeinde verstanden haben und dass ein wesentliches Anliegen eines Kirchenvorstandes auch die geistliche Leitung einer Gemeinde sein soll.

Unser Leitbild haben wir damals so formuliert:
Zur Ehre Gottes sollen möglichst viele Wittgensdorfer Gott kennen und lieben lernen, Gemeinschaft und Heimat finden, im Glauben wachsen und durch Mitarbeit füreinander da sein.  

Auch heute noch wird dieses Leitbild, diese Vision oder Präambel unserer Gemeinde immer mal wieder auf die Tagesordnung gebracht, sodass wir dann auch kritisch Resümee ziehen: Wie sieht es denn damit aus? Und dass wir dann auch selber untereinander kritisch Position beziehen.“

Über die Kirchenvorstandsarbeit als geistliche Gemeindeleitung
„Geistliche Gemeindeleitung sieht bei uns so aus, dass wir als Kirchenvorstände alle eingeladen worden sind, den sog. kleinen Lektorendienst zu übernehmen, d.h. im Gottesdienst die Gemeinde zu begrüßen, die biblischen Lesungen zu übernehmen, das Fürbittgebet mitzugestalten und den Gottesdienst nachzubereiten. Das hat uns auch viele wertvolle Impulse für unsere geistliche Leitungsarbeit gebracht. Neben der Gottesdienstgestaltung sind wir als Leiter und Leiterinnen  in einzelnen Teams aktiv, also in Gebetskreisen oder anderen Gemeindekreisen.

Aber geistliche Kirchenvorstandsarbeit erschöpft sich nicht nur in der Gottesdienstgestaltung oder in der originär geistlichen Leitung, sondern besteht auch in praktischen Dingen. Weil nach Luther auch ganz praktische Dinge (wie die Kirchturmerneuerung, die aktuell bei uns geschieht oder der Innenausbau unserer Kirche) geistliche Gemeindeleitung darstellt. Wir haben zum Beispiel vor 14 Tagen einen Riesenlaubeinsatz gehabt. Der hat uns auch eine Menge Gemeinschaft gebracht. Fröhliche Gespräche. Miteinander zu arbeiten an einem gemeinsamen Ziel und sei es auch nur praktischer Art – das ist für mich auch ein Stück geistliche Gemeindeleitung.“

Über den Kirchenvorstand als geistliche Gemeinschaft
„Es ist so, dass wir in den Sitzungen immer mit einer Andacht beginnen, die von den Kirchvorsteherinnen und Kirchvorstehern gehalten wird. Das find ich schon mal sehr gut, dass wir dort, ringsum im Kirchenvorstand abwechselnd eine Andacht zu hören bekommen, von Ehrenamtlichen. Dann auch ab und zu von dem Pfarrer natürlich. Wir wechseln uns ab, Monat für Monat, und im Anschluss ist Gebetsgemeinschaft. Natürlich freiwillig. Wer nichts sagen möchte, muss nicht. Aber ich finde das sehr angenehm, dass wir vor der Kirchenvorstandssitzung miteinander beten. Und zum Abschluss findet auch noch mal ein Gebet statt, meist zu später Stunde und ein Abendsegen.

Einmal im Monat haben wir auch Mitarbeiter-Gebetskreis, wo wir eigentlich ausschließlich und exklusiv für Belange in der Gemeinde oder Landeskirche beten. Da sind die Teamleiter mit dabei, die Leiter der Gemeindekreise, aber auch der Kirchenvorstand. Das ist kein Muss und kein Zwang. Es kommen auch nicht immer alle. Aber es ist eine Möglichkeit, miteinander geistlich ins Gespräch zu kommen.

Was ist mir noch an anderen Formen geistlicher Gemeinschaft vorstellen könnte? Dass wir vielleicht noch theologischer miteinander arbeiten. Über Grundfragen des Glaubens. Über Dinge, über die man im Gemeindealltag weniger spricht, die auch im Gottesdienst umfänglich nicht so angerissen werden können, auch nicht in Bibelwochen oder Gebetsabenden. Dass man über prinzipielle Fragen des Glaubens, die ja zur Zeit auch aktuell sind und in unserer Landeskirche diskutiert werden, mehr miteinander ins Gespräch kommt und vielleicht auch den eigenen  Glauben sprachfähiger macht und sein eigenes theologisches Profil schärft.“

Über das Miteinander im Kirchenvorstand
„Wir sind ein sehr vielfältiger Kirchenvorstand mit geistlich unterschiedlichen Beheimatungen. Das macht unsere Kirchenvorstandsarbeit ausgesprochen bunt und wir ergänzen uns. Das hat auch mein Kirchenvorstandsleben sehr bereichert, dass wir sehr unterschiedlich geprägte Menschen sind. Ein nicht kleiner Teil kommt nicht aus der Gemeinde, sondern ist zugezogen, so wie ich. Und wir haben alle dort – nicht zuletzt durch die Mitarbeit – in unserer Gemeinde Heimat gefunden und das trifft auf etliche Kirchvorsteherinnen und Kirchvorsteher hier bei uns zu.

Ich würde schon sagen, dass wir liebevoller miteinander diskutieren als andere Gremien – z.B. im kommunalen Bereich – selbst wenn es hart wird und die gegensätzlichen Meinungen aufeinander prallen. Es sind auch schon Tränen geflossen. Kann man sich gar nicht vorstellen. Aber es ist so und ist vielleicht auch gut so. Das gehört auch – denk ich – zur Nächstenliebe: Bestimmte Dinge sehr offen und ehrlich auszudiskutieren und dann auch Sachen auf den Tisch zu legen.

Es gibt Dinge, für deren Klärung wir lange gebraucht haben. Es gibt Dinge, die noch in Klärung sind. Aber trotzdem sind wir untereinander als Kirchvorsteher immer zusammengeblieben. Innerhalb des Kirchenvorstandes gibt es und gab es auch keine dauerhaft ungelösten Konflikte aufgrund unterschiedlicher geistlicher Anschauungen. Ich bin sehr dankbar, dass wir in den vergangenen Jahren Konflikte gut lösen konnten. Auch schon mit Mediatoren. Da gab es einen Prozess der Versöhnung, dass wir verschiedene geistliche Richtungen wieder gemeinsam an den Tisch, an den Altar und in die Gemeinde gebracht haben. Das war auch innerhalb unseres Kirchenvorstandes ein spannender und spannungsgeladener Prozess.

Und ich bin dankbar, dass wir in den letzten 6 Jahren im Kirchenvorstand mit neuer Einheit und Geschlossenheit unsere Gemeindeziele gemeinsam verfolgen konnten. Das waren meine besten 6 Jahre Kirchenvorstand, die ich jetzt erleben durfte nach diesem Versöhnungsprozess, der uns vorher sehr beschäftigt hat.“