Rückblick KV-Tag 2023
650 Ehrenamtliche tauschten sich zu Fragen der Gemeindeleitung aus
LEIPZIG – In der Kongresshalle am Zoo Leipzig trafen sich am Sonnabend, 26. August 2023, über 650 ehrenamtliche Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher aus ganz Sachsen unter dem Motto „WO DU BIST“ zum 3. Sächsischen Kirchenvorstandstag.
Ehrenamtlich und beruflich Engagierte aus verschiedenen Leitungsebenen diskutierten über gesellschaftliche und kirchliche Entwicklungen, kamen über aktuelle Probleme vor Ort ins Gespräch und erhielten praktische Impulse für ihr Leitungshandeln. Neben den thematischen Impulsen bestimmte die geistliche Gemeinschaft den Tag, indem miteinander gesungen und Gottesdienst gefeiert wurde sowie Zeit für Begegnungen und Austausch zur Verfügung standen.
Ursprünglich sollte der Kirchenvorstandstag im Juni 2021 – am Anfang der aktuellen Legislatur der sächsischen Kirchenvorstände – stattfinden, musste dann jedoch aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden. „Nun war die Hälfte der Legislatur bereits um – ein guter Zeitpunkt, um Entwicklungen übergreifend zu diskutieren, neue Impulse für die Arbeit zu bekommen und eine erste Bilanz zu ziehen“, meint der Leiter der Ehrenamtsakademie in der sächsischen Landeskirche, Joachim Wilzki.
Er übernahm auch die „Vor-Begrüßung“ verwies auf einen QR-Code auf der Projektionswand im Großen Saal. Beim Einloggen wurde ein „Mentimeter“ aktiviert, der eine repräsentative Umfrage durchführen konnte sowie auf einer Karte anzeigte, aus welchem Kirchenbezirk die Vertreterinnen und Vertreter aus Sachsen gekommen waren. Zu Beginn und zwischen den weiteren Begrüßungen sorgte das Bläserquartett esbrasso der Posaunenwarte für unterhaltsamen Ohrenschmaus.
Den Kirchenvorstandstag eröffnete der Präsident des Landeskirchenamtes, Hans-Peter Vollbach, dem dieser Saal aus seiner Jugendzeit nicht unbekannt sei. „Sie geben der Kirche vor Ort ein Gesicht“, sagte er zu den Kirchvorstehern. Hier ginge es heute darum, was wir tun, woher wir auch kommen mögen. „Wo du bist“, das Motto des Tages, bedeute für ihn im Gegensatz zur Corona-Zeit wieder zwischenmenschliche Beziehung pflegen zu können. Kirchvorsteherinnen und Kirchvorsteher seien das Spiegelbild der Kirchgemeinde. Er wünsche sich, dass man hier mit Freude Ideen zulassen werde, Ermutigung erfahre und offen miteinander sprechen könne. Er dankte dem Vorbereitungsteam für ihre Arbeit und Mühe.
Bei Synodalpräsidentin Bettina Westfeld drehte sich das Motto anhand von aufgestellten Wortwürfeln in „Bist du wo?“ Wenn es als Suchbegriff verstanden werde, dann müssten wir zugeben, dass wir eigentlich immer auf der Suche nach irgendwas seien“, sagte sie. Manchmal stelle sie für sich die Frage auf Gott bezogen zaghaft, manchmal wütend oder – sicher viel zu wenig – dankbar. Nicht nur die Suche nach Gott, sondern auch die Suche nach sich selbst, den Platz, den wir mit anderen Menschen finden, würde das Handeln bestimmen. „Was hat Gott mit dieser Kirche vor?“, fragte Westfeld. Letztlich führe es über die Gottessuche zur Sinnfrage des Lebens. Sie ermutigte die Teilnehmenden zuversichtliche Sinnsucher und Gottessucher zu sein.
Nach dem sich das Motto erneut gedreht hatte zu „Wo bist du?“, ergänzte Kirchvorsteherin Barbara Kühn zu „Wo bist du Mensch?“, wo bist du in Gedanken, Worten und mit deinem Herzen. Wir, die Kirchvorsteherinnen und Kirchvorsteher, hätten uns finden lassen für viele Aufgaben in der Gemeinde. Aber, nicht nur für „gemeindetechnischen Kram“ sei sie gerufen worden, sondern auch für die geistliche Begleitung der Gemeinde. „Das muss aber geübt werden“, sagte sie im Hinblick nicht nur auf die Angebote des Kirchenvorstandstages. Ein ansprechendes Video mit weiteren Stimmen von Kirchvorstehern und einer Kirchvorsteherin wurde mit deren Eindrücken aus ihrer Arbeit vorgestellt.
Landesbischof Bilz sieht das Motto „Wo du bist“ auch im Zusammenhang des Tagesgeschäfts der Kirchenvorstände mit Dingen, die schlichtweg erledigt werden müssten. Dabei ergebe sich häufig eine Überforderung, gerade bei jenen, die beispielsweise bei Pfarrvakanzen hohe Verantwortung für viele Mitarbeitende zu übernehmen hätten. Da bliebe Ärger nicht aus. „Wo ist Gott?“: Sein Geist sei nicht nur in geistlichen Vollzügen, Andachten und Gottesdiensten dabei, sondern auch beim Aufstellen des Haushaltplanes oder bei der Lösung von Problemfällen. Für Bilz sei Gottes Gegenwart nicht davon abhängig, worum es gerade in der Gemeinde gehe. „Der Auferstandene sorgt für eine neue Perspektive“, sprach er den Teilnehmenden Hoffnung zu. Der heutige Tag würde auch dazu dienen, sich gegenseitig in diesem Sinne zu ermutigen.
Im Anschluss an den Einstieg gab es zahlreiche thematische Angebote. So konnten die Kirchvorsteherinnen und Kirchvorsteher schon bei der Anmeldung zwischen sechs verschiedenen Themenräumen und acht Werkstätten wählen. Im besonderen Format „Speedtalk-Themen die unter den Nägeln brennen“ hatten sie die Möglichkeit, mit zahlreichen Mitarbeitenden des Landeskirchenamtes direkt ins Gespräch kommen. Das Themenportfolio an den Speedtalk-Tischen des Kongresszentrums war breit gefächert und ganztägig gefragt.
Von Personalfragen, dem Pfarrdienst, Bau- Grundstücks- und Friedhofsfragen, Finanzen, Kirchenmusik bis hin zu Arbeitsfeldern der Gemeindepädagogik, des Religionsunterrichts, der Evangelischen Schulen und der Jugendarbeit hatten die Teilnehmenden Gelegenheit zur Klärung ihrer Fragen. Präsident Hans-Peter Vollbach wagte einen Ausblick auf die Zukunft der Kirche bis 2035 und erläuterte entsprechende Prognosen seitens des Landeskirchenamtes. Für die Fragen der jeweils drei bis vier Besucher pro Tisch und Thema standen 20 Minuten zur Verfügung, bevor man sich anderen Themen zuwenden konnte.
Themenräume, Werkstätten. Podien und Gesprächskreise
Über die Schnellinformation hinaus, öffneten sich am Vormittag Themenräume zu „Kirche und Gesellschaft“ mit Impulsen und Methoden im Dialogfeld Kirche und Politik sowie zum „Leitungsamt im Ehrenamt“, in dem ein Zukunftsgespräch mit Kirchenleitenden angeboten wurde. U.a. wurde mit Synodalpräsidentin Bettina Westfeld und Landesbischof Tobias Bilz darüber diskutiert, wie Kirche in zehn Jahren aussehen könnte.
Parallel liefen dazu die Werkstatt-Angebote u.a. zu „Kirche und Tourismus“ zur Initiative ‚Offene Kirche‘ der EEB, zu Gottesdienstgestaltung sowie zu „Nur keinen Streit vermeiden“ mit Fragen der konstruktiven Konfliktlösung mit Gemeindeberaterin Silke Boss an. Zudem wurde ein Workshop zu Prävention, Intervention und Hilfe angeboten, der den Weg zu einem Schutzkonzept aufzeigen erläutern sollte.
Nach der Mittagspause wurden die Themenblöcke mit den Werkstätten sowie mit einer Extra-Werkstatt zur „Bestattungskultur im Wandel“ eröffnet. Ein Methodenworkshop befasste sich mit der geistlichen Gestaltung von KV-Sitzungen, ob nicht die gesamte KV-Sitzung geistlich geprägt sein könnte. Nach spirituellen Hinweisen für die Gemeindearbeit ging es im Zusammenhang von Kirche im Sozialraum um die Suche nach anderen Akteuren im Umfeld der Kirchgemeinde und der Zusammenarbeit mit ihnen sowie um gemeindediakonische Initiativen wie Besuchsdienst oder Café, Nachbarschaftshilfe oder Engagement für Geflüchtete.
Die Initiative „Kirche die weitergeht“ verdeutlichte die Vorstellung von „Missionaler Gemeindeentwicklung“ wie der Kontakt zu Menschen mit der christlichen Botschaft außerhalb der Gemeinde gelingen und wie man ein Stück das eigene Kirchturmdenken zurückstellen könne. Dann kämen Nachbargemeinden und die Region für eine gemeinsame Gestaltung stärker in den Blick.
Weitere Themenbereiche beschäftigten sich mit Gestaltungsrahmen von Kirche und Politik zu Fragen über Frieden und Klimaschutz. So ging eine Podiumsdiskussion der Frage nach, wie „Gerechter Friede“ als Leitbild evangelischer Friedensethik möglicherweise vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges neu zu bewährten sei. Mit Impulsen und Praxistipps wurde in einem anderen Workshop für eine ökologisch und sozial nachhaltige Praxis geworben.
Im Themenbereich Gemeindeleitung, also leitendes Ehrenamt, ging es um Methoden, die Wertschätzung für das Gemeinsame zu erhöhen, um die Widerstandsfähigkeit und Zufriedenheit einer Gruppe zu stärken. Die Blickrichtung in Krisen sollten verändert werden – „weg vom Defizit, hin zum Potential, weg von der Ursachenforschung, hin zur aktiven Gestaltung der Zukunft“, hieß es.
Der Themenbereich „Glauben.Leben.Lernen in der Gemeinde“ hob am Vormittag die Bedeutung von Kindern in der Kirche hervor . Hier wurden Ergebnisse der Kinder-Kirchen-Konferenz präsentiert und Angebote zu religiöser Bildung in der Kita, Konzepte für die kontinuierliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, wie „Kirche kunterbunt“, „Godly Play“ oder „Pirnaer Konfirmandenbesuche“ diskutiert.
Ein anderer Workshop beschäftigte sich ergänzend dazu mit der Konfirmandenarbeit, in der häufig Enttäuschungserfahrungen von Angebot und Erwartung stärker auseinanderliegen als in anderen Arbeitsbereichen. „Was können wir tun, damit für Konfis und Lehrende aus Frust Lust wird?“, hieß die Fragestellung.
Ein weiteres Werkstattangebot beleuchtete den Arbeitsbereich Handwerk und Kirche, da Frauen und Männer im Handwerk ebenfalls Teil der Kirche seien. Welche Angebote und Einladungen ergehen an sie? Handwerkergottesdienste können hier Schnittstellen von Arbeitswelt und Kirche sein.
Standgespräche und Markt der Möglichkeiten
Ergänzend zu den Werkstätten gab es Stände zu Inklusion, Teamer-, Männer,- und Seniorenarbeit zu entdecken. Ebenfalls zeigte die Stabsstelle des Landeskirchenamtes mit einem Stand Präsenz sowie die Kirchenredaktion DER SONNTAG.
Auf dem Markt der Möglichkeiten präsentierte sich die Evangelische Jugend und entzündete angesichts der anstehenden Wetteränderung bereits ein Kaminfeuer auf dem Fernsehschirm; legte aber vor allem interessante Beispiele des spielerischen Umgangs mit Kindern und Jugendlichen in Form von Karten und Faltblättern vor.
Ebenfalls ein ganzer Raum war der Nachhaltigkeit, dem Umgang mit der Schöpfung und damit Ressourcenschonung mit interessanten Beispielen für die Gemeindearbeit gewidmet.
Gottesdienst zum Abschluss des Kirchenvorstandstages
Der Gottesdienst zum Abschluss des KV-Tages fand am Nachmittag mit allen Teilnehmenden im Großen Saal statt, indem wieder ein größeres Bläserteam um Jörg-Michael Schlegel die musikalische Begleitung übernahm. In Vorbereitung und Durchführungen waren Kirchenvorsteherinnen und Kirchvorsteher, darunter die Prädikantin Diana Schäffner aus Eibenstock und die Lektorin Irene Mütze aus Fischbach östlich von Radeberg, beteiligt.
Acht „KVs“ aus verschiedenen Regionen Sachsens bauten einen Altar mit Kreuz, Kerzen und Blumen auf.
In seiner Predigt thematisierte Landesbischof Tobias Bilz die Sehnsucht nach Gottes Gegenwart und bezog sich auf Mose, der mit seinen Schafen ins unbekannte und karge Land aufbrach. Auch Gemeinden würden Grenzen überschreiten, wenn sie an einem Punkt angekommen seien, wo sich eigentlich etwas ändern müsse. Bilz verwies auf Initiativen wie „Kirche die weitergeht“. Darüber hinaus nehme nach seinem Eindruck die Bedeutung des Gebets zu. „Gott setzt uns dem Mangel aus, damit wir wieder Sehnsucht haben“, sagte er. Gott wolle selbstlos geliebt werden und nicht mit dem Vorweisen eigener Leistungen und Erfolge. Zudem könne Sehnsucht nicht unter Druck ausgelöst werden. Vielmehr könne die scheinbare Abwesenheit Gottes ein Versuch sein, die Sehnsucht wieder auszulösen.
Aber, wo sei Gott zu suchen? Es gehe weniger um einen Ort, sondern um eigene Aufmerksamkeit und Neugierde. Denn Gott äußere sich anders als erwartet und er müsse nicht in der Mitte der Kirche, sondern könne auch an ihrem Rande in Erscheinung treten. Der Landesbischof ermunterte, einen guten Kontakt zu Gott anzustreben und so mit ihm zu reden, „als würde man mit einem Freund reden“. Uns fehle es nicht an Motivation und Gott kenne unsere Sehnsucht, aber alles liege dennoch in Gottes Hand und er überrasche uns aus dem Verborgensein mit seiner Gegenwart.
Das Dankopfer war für die Kirchgemeinde in Großröhrsdorf bestimmt, deren Stadtkirche einem schweren Brand zum Opfer fiel. Die gesammelte Kollekte soll der gemeindlichen Arbeit zur Verfügung gestellt werden. Die Gemeinde möchte beispielsweise einen Glockenträger anschaffen, um wieder im Ort hörbar zu sein und die Hoffnung auf einen Wiederaufbau wach zu halten.
Hintergrund: Ehrenamtliche Gemeindeleitung in sächsischen Kirchgemeinden
Jede Kirchgemeinde in Sachsen wird durch einen Kirchenvorstand geleitet, der mehrheitlich aus ehrenamtlichen Mitgliedern zusammengesetzt ist. Die Kirchenvorstände beraten über geistliche und organisatorische Fragen und treffen wichtige Entscheidungen für die Gemeinde. Die Legislatur für die gewählten und berufenen Mitglieder eines Kirchenvorstands beträgt jeweils sechs Jahre. Die aktuellen Kirchenvorstände sind seit dem 1. Dezember 2020 im Amt.
Um jungen Menschen eine Stimme in dem Leitungsgremium zu geben, muss in jedem Kirchenvorstand eine Jugendvertretung gewählt oder berufen werden, die nicht älter als 27 Jahren sein darf. Berufene Jugendvertreterinnen und Jugendvertreter können mit Zustimmung der Eltern bereits ab dem 16. Lebensjahr mitwirken. Außerdem sind Gemeindeglieder ab dem 14. Lebensjahr wahlberechtigt. Dadurch können sich junge Menschen frühzeitig mit ihren Anliegen einbringen und den Kirchenvorstand mit wählen.
Neben dem Kirchenvorstand werden weitere Leitungsgremien gebildet. Kirchgemeindevertretungen und Ortsausschüsse koordinieren beispielsweise in den einzelnen Orten das Gemeindeleben. Insgesamt sind in Sachsen ca. 6000 Ehrenamtliche in Leitungsgremien evangelischer Kirchgemeinden engagiert.